Wandel erster Ordnung bezeichnet graduelle Anpassungen innerhalb bestehender Systeme, während Wandel zweiter Ordnung einen radikalen Umbruch des Systems selbst meint. Beide Wandlungsformen sind zentrale Konzepte in der Systemtheorie und spielen eine essenzielle Rolle in Transformationsprozessen von Organisationen. Die Begriffe gehen u.a. auf die Arbeiten von Paul Watzlawick und Gregory Bateson zurück, die diese Unterscheidung in der systemischen Therapie und Systemtheorie eingeführt und bekannt gemacht haben (Watzlawick, Weakland & Fisch 1974; Bateson 1972).
Im Kontext nachhaltiger Transformation geht es nicht nur darum, Prozesse zu optimieren oder Produkte anzupassen (Wandel erster Ordnung), sondern vielmehr darum, die dahinterliegenden Denkmuster, Strukturen und Werte grundlegend zu hinterfragen und neu zu gestalten (Wandel zweiter Ordnung). Wandel erster Ordnung findet innerhalb gegebener Systemgrenzen statt – vergleichbar mit der Feinjustierung eines Thermostats: Die Temperatur wird reguliert, aber das Heizsystem bleibt dasselbe. Dieser Ansatz kann kurzfristige Effizienzgewinne bringen, stößt jedoch schnell an Grenzen, wenn sich das Umfeld grundlegend verändert.
Wandel zweiter Ordnung hingegen erfordert das Loslassen vertrauter Routinen. Es geht um eine bewusste Re-Konstruktion der Systemlogik – etwa wenn Organisationen beginnen, nicht mehr primär auf Gewinnmaximierung zu setzen, sondern ihren „Impact“ auf Umwelt und Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen. Im Impact Business Design wird diese Form des Wandels durch den sogenannten Today-Tomorrow-Vergleich operationalisiert: Die operative Lücke lässt sich durch Wandel erster Ordnung schließen, die strategische Lücke – also die Differenz zwischen Ist-Zustand und einem zukunftsfähigen Soll-Zustand – nur durch Wandel zweiter Ordnung.
Transformationsgestalter:innen und Führungskräfte sollten sich daher regelmäßig fragen: Bleiben wir im bekannten System und verbessern es schrittweise? Oder ist es an der Zeit, die Spielregeln zu verändern? Gerade in einer Welt multipler Krisen ist Letzteres oft der einzig wirkungsvolle Weg zu enkelfähigem Wirtschaften. Begriffe wie Adaptive Cycle, Impact Economy oder Transformatives Lernen sind eng mit dieser Unterscheidung verknüpft und helfen, die passende Veränderungsstrategie zu entwickeln.
Unterschiede zur klassischen Veränderungsmanagement-Literatur:
Im Unterschied zu klassischen Modellen des Change Managements – wie den Drei-Phasen-Ansatz von Kurt Lewin oder das 8-Stufen-Modell von John P. Kotter – thematisiert die Unterscheidung von Wandel erster und zweiter Ordnung explizit den qualitativen Sprung: Während klassische Modelle oft inkrementelle und planbare Veränderungsschritte in den Vordergrund stellen, lenkt die Systemtheorie den Blick auf die Notwendigkeit, bei grundlegenden Systemveränderungen auch Paradigmen, Werte und grundlegende Strukturen zu hinterfragen und neugestalten zu können.